Nur
auf die sanfte Tour
Wie ein klassischer Geschäftsmann
wirkt er nicht. Eher wie ein warmherziger Kumpel, mit dem es ein
Leichtes ist, Pferde zu stehlen. Uni Pferde allerdings geht es ihm
weniger. Vielmehr um Stahlrösser und Drahtesel. Auf ihnen begründet
sich seine Berufstätigkeit. Und Beruf scheint bei Erwin Aschenbrenner
im klassischen Sinne Berufung zu sein. Diesen Eindruck jedenfalls
vermittelt er, wenn er von seiner Arbeit spricht und davon,
wie er dazu gekommen ist. Und man merkt es auch, wenn man mit ihm
unterwegs und er in Böhmen in Aktion ist.
Dr. Erwin Aschenbrenner ist Reiseveranstalter. „Begegnung
mit Böhmen" heißt sein Unternehmen in Regensburg,
in dem er derzeit rund 40 bis 50 Rad-, Langlauf-, Kanu- und Wander-Reisen
pro Jahr in den östlichen Nachbarstaat anbietet. Eigentlich
aber ist er Philosoph. Wobei er selbst sich Kulturwissenschaftler
nennt. Aufgewachsen in Lam im Bayerischen Wald, direkt an der Grenze
zur damaligen Tschechoslowakei, studierte er erst Mathematik und
Theologie mit Schwerpunkt auf der Naturwissenschaft, um sich durch
das Interesse an der Befreiungstheologie immer mehr den Religionswissenschaften
zuzuwenden. Reisen und mehrmonatige Aufenthalte in Südostasien
und Südamerika schärften seine Sinne für, wie er
sagt, „subtile Kulturzerstörung", und die Frage
„Ist Tourismus Kolonialismus?
Sein berufliches Ziel war es zunächst, Vorbereitungsseminare
für Fernreisende in Länder der Dritten Weit anzubieten.
So kam er in Kontakt mit dem Evangelischen Bildungswerk (EBW) Regensburg.
Leider fand sich kein Markt für seine sicherlich sinnvolle
Geschäftsidee. Dafür aber war das EBW begeistert von seinem
Vorschlag, Radreisen in die gerade erst für Besucher geöffnete
Tschechoslowakei anzubieten. Der Eiserne Vorhang war soeben gefallen
und es war sprichwörtlich naheliegend, Theorien vom kulturnahen,
sensiblen Tourismus in der neu zu entdeckenden Nachbarregion Böhmen
in die Praxis umzusetzten.
Mit drei einwöchigen Rad-Reisen ging es für ihn 1991 als
ABM-Kraft für ein Projekt „Kulturnaher, sozialer- und
umweltverträglicher Bildungstourismus" beim Evangelischen
Bildungswerk Regensburg los. Er konzipierte die Reisen und begleitete
sie selbst. „Böhmen", sagt Dr.. Erwin Aschenbrenner,
„war 1989 weiter für uns entfernt als etwa Peru oder
Japan." Doch dann fiel der Eiserne Vorhang, und „plötzlich
brauchte man zu einer fremden Kultur nicht mehr mit dem Flugzeug
fliegen". Die sprichwörtlichen „Böhmischen
Dörfer" ließen sich mit einer Radtour geradzu
erfahren. Für Aschenbrenner bot dies die Chance, seine mit
der Dritten Weit gemachten Erfahrungen auf eine touristisch weitgehend
unberührte Region zu übertragen und zu versuchen, bei
seinen Konzeptionen alle negativen Erscheinungen des Dritte-Welt-Tourismus
zu verhindern. Tourismus in die damalige Tschechoslowakei hieß
nämlich Wochenendreisen nach Prag oder Billigeinkaufsfahrten
an die Grenze, vom Prostitutionstourismus ganz zu schweigen.
Jahr für Jahr bot Aschenbrenner mehr Reisen an, stieg vom Rad
auch auf Skier, in Wanderstiefel und ins Kanu und folgte den Literaten
des Böhmerwaldes zu Fuß und mit dem Zug. Unter unterschiedlicher
Trägerschaft führte er seine Idee des sanften Tourismus
beim östlichen Nacbarn Böhmen Schritt für Schritt
weiter und machte sich Anfang 1998 vollkommen selbständig.
Von den zunächst drei Wochenreisen ist sein Angebot auf 50
Reisen im vergangenen Jahr angewachsen. Die Tendenz ist steigend.
Das freut ihn zum einen, zum anderen sieht er dem aber auch ein
wenig beunruhigt entgegen, denn er begleitet jede einzelne Reise
zumindest an den ersten Tagen - und zu Hause warten Frau und Tochter
und ein Schreibtisch voller Arbeit, die er ganz allein bewältigt.
Sieben Typen von Reisen bietet Aschenbrenners „Begegnung mit
Böhmen" derzeit an. Der Schwerpunkt liegt auf den Radreisen,
gefolgt vom Skiwandern mit Langlaufskiern im Winter, dem Wandern,
Kanufahren, Eltern-Kind-Ferien, die Entdeckung des Weltkulturerbes.
Gut 1000 Reisenden bietet er jedes Jahr eine mit viel Erholung verbundene
anregende Begegnung mit Böhmen. Etwa die Hälfte davon
sind Stammgäste, „Wiederholungstäter", die
immer wieder mit Aschenbrenner reisen. 1998 war ein Ehepaar das
elfte Mal dabei. Erstaunlich, denn Aschenbrenners „Begegnung
mit Böhmen" gibt es erst seit acht Jahren.
In seinem Bereich ist Aschenbrenner nahezu konkurrenzlos. Einige
Wander- und Radreise-Anbieter haben sieh zwar in den Böhmerwald
vorgewagt, die meisten aber haben wieder aufgegeben, ..denn es gibt
für Reiseveranstalter bequemere Tourismusregionen", erklärt
Aschenbrenner. Die touristische Infrastruktur ist noch nicht sehr
weit entwickelt, und man muß als Veranstalter schon viel Organisationstalent,
Geduld und Improvisationsgabe mitbringen, um im Böhmerwald
zu reüssieren, zumal mit einem Ansatz des sanften Tourismus,
ohne Auto, ohne Massenfortbewegungsmittel und ohne am westlichen
Standard unbedingt festhalten zu wollen. Denn auf Probleme heim
Organisieren seiner Reisen trifft Aschenbrenner immer wieder und
immer noch. Sei es, daß der Wirt nur Brot und Butter und ein
dünnes Kaffeesüppchen zum Frühstück serviert,
weil er den Einkauf vergessen hat, oder daß Zimmer trotz fester
schriftlicher Reservierungsverträge überbucht sind.
Diese Schwierigkeiten, so Aschenbrenner, nehmen
aber sowohl er, als auch seine Gäste ohne allzu großes
Murren in Kauf, denn man weiß von vornherein, auf was man
sich bei einer Reise in das touristisch noch unerschlossene Böhmen
eingelassen hat.
Der Gedanke des sanften Tourismus beschränkt sich bei
Aschenbrenner nicht auf die Art der Reisen vor Ort. Auch die
Anreise ist so gelegt, daß jeder problemlos mit dem Zug kommen
kann. „Eine Diplomarbeit über sanften Tourismus hat herausgefunden,
daß ich der einzige Reiseveranstalter bin, bei dem die Reise
zu einer ganz krummen Uhrzeit beginnt." Die meisten seiner
Reisen starten am Grenzbahnhof Bayerisch Eisenstein mit Ankunft
des Zuges um 14.23 Uhr. 1998 hatte es Aschenbrenner sogar fertiggebracht,
daß die dort operierende Regentalbahn dann, wenn seine Gruppen
ankamen, einen dritten Wagen anhängte, um alle Räder transportieren
zu können. Er hofft, daß dies auch in diesem Jahr so
weitergeht.
Seine Reisen bietet Aschenbrenner auf sehr ansprechenden und informativen
Faltblättern an, die auf jeden werberührigen Schnickschnack
verzichten können. Er arbeitet deutschlandweit mit 25 verschiedenen
Bildungseinrichtungen zusammen und betreibt eine umfangreiche Öffentlichkeitsarbeit.
Diese PR läßt er aber nicht bei einer intensiven, regelmäßigen
Pressearbeit - vor allem in Öko- und Naturschutzzeitschriften
und den Tagesmedien - bewenden, sondern er hält Vorträge
über Böhmen - in den vergangenen fünf Jahren, so
erinnert er sich, waren es etwa 40 Vorträge und Diavorträge
-, initiiert Podiumsdiskussionen, Lesungen und „Böhmische
Nächte". Zuletzt ging eine von ihm zusammengestellte,
vielgepriesene Wanderausstellung zur Kulturund Zeitgeschichte
in Böhmen durch viele süddeutsche Städte.
Jedes Jahr im Dezember organisiert Aschenbrenner zudem für
seine Reiseteilnehmer einen böhmischen Begegnungstag in Regensburg,
mit Stadtführung, Fotowettbewerb, böhmischem Essen und
einem Zusammentreffen mit den tschechischen Reiseleitern. Aus ganz
Deutschland kommen die Teilnehmer von Aschenbrenners Reisen in großer
Zahl, um ihre Erlebnisse gemeinsam nachzuerleben. Für viele
ist dieser jährliche Tag zu einer festen Institution geworden.
Der beste Öffentlichkeitsarbeiter, um nicht zu sagen Botschafter
für Böhmen und seine Reisen, aber ist Erwin Aschenbrenner
selbst. Obwohl er den Landstrich entlang der bayerisch-tschechischen
Grenze nun bereits seit einigen Jahren regelmäßig erlebt,
die Orte und Winkel, die er mit seinen Gruppen bereist, bereits
in- und auswendig kennt, ist er noch nicht abgestumpft, findet immer
noch das Neue, das Schöne, das Einmalige und das Ungewöhnliche,
um es seinen Gästen zu zeigen.
Das, was Erwin Aschenbrenner aufgebaut hat, kann ein Mann aber gar
nicht alleine machen. So arbeiten vier Tschechen jenseits der Grenze
für ihn als Organisatoren, Gruppenbegleiter, Skilehrer und
Reiseleiter. Diesseits der Grenze kooperiert er ebenfalls, mit vier
Experten, die beispielsweise den ökologischen und den literaturhistorischen
Part während seiner Reisen übernehmen. Die Tschechen begleiten
die Reiseteilnehmer Erwin Aschenbrenners gemeinsam mit ihm selbst
auf ihren Stahlrössern, den Drahteseln, im Kanu oder zu Fuß
durch Böhmen. Sie sind aber auch die Botschafter ihres Landes
und ihrer Kultur und machen für die Gäste die Verhältnisse
im Lande verstehbar und erlebbar.
Die Texte stammen von den oben aufgeführten Zeitungen.
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