Pressebericht in “Eltern” 7/96 |
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Eltern |
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Mit Kindern unterwegs Welch eine Stille! Keine Autos, keine Menschen, keine Läden, keine Discos – nur Gerstenfelder und Wald so weit das Auge reicht. Fasziniert lassen Lenka, meine Freundin, und ich die wohltuende Ruhe unseres Urlaubsortes auf uns wirken. Wir sind im Nationalpark Böhmerwald, einem abgeschiedenen Naturparadies im Südwesten von Tschechien, und genießen unseren ersten Abend Geplant ist eine Mischung aus Erholungs- und Kultururlaub. Lenka und ich sind gespannt, denn Erwin Aschenbrenner, der Reiseleiter, hat uns viel versprochen: Er will uns die einzigartige Landschaft zwischen Donau und Moldau mit ihren Hochmooren, malerischen Dörfern, unentdeckten Flußtälern, wildromantischen Schluchten und mit den mittelalterlichen Schlössern, Burgen und Städten über das übliche Sightseeing-Programm hinaus nahebringen. Und zwar so, daß auch die Kinder auf ihre Kosten kommen! Der Begrüßungsnachmittag verlief jedenfalls schon ganz vielversprechend: Ein Namen-Ratespiel, auf der Wiese vor dem Haus von Erwin Aschenbrenner geschickt eingefädelt, ließ schnell Vertrautheit entstehen. Vor allem zwischen den 18 Mädchen und Jungen im Alter von fünf bis zehn Jahren. Schnell schlossen die Kinder sich in Grüppchen zusammen. Die größeren Jungen tobten sich beim Fußballspielen aus, die kleineren streunten gemeinsam im Hof herum und die Mädchen scharten sich um Veronika und Radka, zwei perfekt deutsch sprechende Studentinnen aus Prachatice, die von Erwin als Betreuerinnen angeheuert wurden. Mit von der Partie ist zu Beginn der Ferien außerdem noch Markus, ein junger Ökologe aus Cham. Mit ihm zusammen geht es am nächsten Morgen hinaus in den Wald. “Warnen und tarnen” heißt seine erste Naturkunde Lektion. Und schon sausen die Kinder los, um Marienkäfer auf Bäumen und Sträuchern aufzuspüren. „Mami, die braunen haben wir kaum gefunden. Die sieht man viel schlechter als die roten”, erklärt mir Magnus noch atemlos vom Rennen. Nici ist dagegen von der Erfahrung begeistert, daß sich Gerstenhalm auch als Wurfspeere eignen. Und daß man Brennesselblätter bei richtiger Falttechnik roh essen kann ohne sich Mund und Hände zu verbrennen. Nach diesem lehrreichen Vormittag machen wir einen Ausflug zur nahe gelegenen „Popelna”, einer 300 Jahre alten Mühle. Dort bringt Erwin Aschenbrenner normalerweise seine Gäste unter – und tatsächlich ist das Haus um einiges komfortabler als unser Kaiserhof, die Küche entschieden besser. Mit großem Appetit essen wir alle die böhmischen Knödel mit Sauerbraten, die es zu Mittag gibt. Danach stürzen sich die Kinder mit Markus in den vorbeifließenden Bach. Die Erwachsenen haben mehr Lust auf Kultur. Erwin führt uns deshalb zu den Resten einer alten Keltensiedlung, die auf dem kleinen Hausberg hinter der Mühle liegt. Ein herrlicher Blick über das Tal der Otava eröffnet sich uns von hier oben. Der Fluß mit seinem goldhaltigen Sand war nicht nur für die Kelten, sondern auch für die alten Römer von großer Bedeutung. Gold waschen wie früher dürfen am darauffolgenden Abend dann auch die Kinder unter Anleitung von Egon Urmann, einem deutschstämmigen Tschechen. der dieses Hobby schon seit Jahren betreibt und den Erwin deshalb extra eingeladen hat: Mit der flachen Schlüssel schöpft Egon Urmann den sandigen Grund aus dem kleinen Bach hinterm Kaiserhof und läßt den Inhalt so lange kreisen, bis nur noch die schwersten Teilchen auf dem Schüsselboden zurückbleiben. Aber wir kommen etliche Jahrhunderte zu spät, von funkelnden Steinen keine Spur. Den Spaß für die Kinder schmälert das nicht im geringsten. Später sitzen wir entspannt bei Wein und Bier und unterhalten uns über unsere Eindrücke von der nahe gelegenen gotischen Karlsburg (Kašperk), die wir tagsüber besucht haben. Zu unserer Überraschung waren wir dort nämlich in eine Phantasy-Aufführung mit Orks, Feen und Rittern geplatzt. Sehr zur Freude der Kinder, die mit großen Augen die lautstarken Fehden rund um das alte Gemäuer verfolgten. Lenka und mir war eher unbehaglich bei soviel Phantasy. Die anschließende Tour zu den Moldauquellen auf gemieteten Fahrrädern gefiel uns beiden da schon weit besser. Weil die Fahrt für die Kinder zu anstrengend gewesen wäre, strampelten ihre Mütter und Väter allein dorthin. Die Kinder hatten ihr eigenes Programm: Sie bastelten auf dem Kaiserhof unter Anleitung von Markus Collagen aus Blüten und Blättern. Nach einem Faulenzertag wird es wieder richtig spannend für groß und klein: Eine Paddeltour auf der Otava steht an. Start ist nördlich von Sušice. Als wir dort ankommen, wartet Jaroslav, Geschäftsführer des örtlichen Sportvereins, bereits mit Kanus und Schlauchbooten auf uns. Ein wenig besorgt äußert er sich über den niedrigen Wasserspiegel. Das traumhafte Sommerwetter hat eben auch seine Schattenseiten. Bevor es losgeht, bekommen wir Erwachsenen noch schnell einen kleinen Einführungskurs. Mir ist etwas mulmig zumute. Nici schimpft vor sich hin, weil er mit David nicht sofort in See stechen kann, und die fünfjährige Rosie schreit wie am Spieß aus Angst vor den wackligen Booten. Da kentert das erste Übungspaar. Großes Gelächter bei allen. Die Stimmung steigt. Jetzt sind Lenka und ich dran. Und- o Wunder- wir halten uns ganz gut über Wasser und bringen das Kanu nach einigen Versuchen sogar auf den richtigen Kurs. Bei der Mannschaftseinteilung schnappe ich mir dennoch vorsichtshalber Jaroslav als Bootsmann. Geschickt führt er das Kanu durchs Wasser. Keine Untiefe, kein Wirbel, kein Steinbrocken entgeht seinem Blick. Bedächtig gleiten wir dahin, vorbei an Wiesen, Auwälder und kleinen Dörfern. Bei Rabi, der größten Burgruine Böhmens, endet die Tour. Rosie heult wieder – diesmal, weil sie unbedingt weiter im Boot fahren will. Nach dem Mittagessen dann das nächste Abenteuer für die Kinder: eine Falkenschau auf der imposanten Burg Rabe. Nici platzt fast vor Stolz, als er den dicken Falkner-Handschuh anziehen darf und der große Raubvogel auf seiner ausgestreckten Faust landet. Kultureller Höhepunkt der Reise ist ein Ausflug nach Ceský Krumlov, dem ehemaligen Krumau. Wir starten früh, denn Jaroslav möchte uns auf dem Weg dorthin seine Heimatstadt Prachatice mit dem Renaissance-Rathaus zeigen. Von dort fahren wir weiter durch romantische Barockdörfer, dann durch die südböhmische Teichlandschaft, die im 15/16. Jahrhundert geschaffen worden ist, um die Sümpfe trockenzulegen und das Flößen von Bauholz nach Prag zu ermöglichen, und erreichen schließlich Schloß Kratochvíle. „Mami, der Garten hat ja ein Muster!” staunt Magnus beim Anblick der italienischen Renaissance-Anlage. Noch mehr fasziniert ihn allerdings das Zeichentrick- und Puppentheaternuseum, das im Schloß untergebracht ist. Am liebsten würde er sich die Vorführung über das Entstehen eines Trickfilms zweimal anschauen. Aber Krumau, die letzte Station unseres Ausflugs, wartet. Beim Besichtigungsrundgang begleiten uns nur die größeren Kinder. Die kleineren gehen mit Radka und Veronika zum Spielen in den schattigen Park, der zum mächtigen Renaissance-Schloß oberhalb der Stadt gehört. In den Hauptstraßen herrscht ein Riesenrummel. Abseits davon weht uns jedoch der Geist von Krumau an. Kein Krieg hat den historischen Stadtkern je zerstört, keine Feuersbrunst die Häuser vernichtet. Die Unesco setzte deshalb das Gotik- und Renaissance-Städtchen 1992 auf die Liste der Weltkulturdenkmäler und stellte es unter ihren besonderen Schutz. Magnus, Nici und die anderen Jungen und Mädchen haben inzwischen Holz gesammelt und hauen mit Jaroslav einen riesigen Scheiterhaufen, der zum Grillen eines halben Schweines reichen würde. Wir begnügen uns jedoch mit Würstchen und Brot. Die vollgepackte Woche mit Kultur und Abenteuer löst sich unter den Klängen von Erwins Gitarre auf in entspannte Zufriedenheit und Harmonie. Wir haben viel gesehen und erlebt. Und sind uns alle ein großes Stück nähergekommen. Nicht nur die Eltern, sondern auch unsere Kinder sind sich deshalb ziemlich einig: Es war einer der schönsten Urlaube. Die Texte stammen von den oben aufgeführten Zeitungen. |
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