Pressebericht in der Mittelbayerischen Zeitung 30.1.1999

Mittelbayerische Zeitung Reisen

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Nur auf die sanfte Tour

Wie ein klassischer Geschäftsmann wirkt er nicht. Eher wie ein warmherziger Kumpel, mit dem es ein Leichtes ist, Pferde zu stehlen. Uni Pferde allerdings geht es ihm weniger. Vielmehr um Stahlrösser und Drahtesel. Auf ihnen begründet sich seine Berufstätigkeit. Und Beruf scheint bei Erwin Aschenbrenner im klassischen Sinne Berufung zu sein. Diesen Eindruck jedenfalls vermittelt er, wenn er von seiner Ar­beit spricht und davon, wie er dazu gekommen ist. Und man merkt es auch, wenn man mit ihm unterwegs und er in Böhmen in Aktion ist.

Dr. Erwin Aschenbrenner ist Reiseveranstalter. „Begegnung mit Böhmen” heißt sein Unternehmen in Regensburg, in dem er derzeit rund 40 bis 50 Rad-, Langlauf-, Kanu- und Wander-Reisen pro Jahr in den östlichen Nachbarstaat anbietet. Eigentlich aber ist er Philosoph. Wobei er selbst sich Kulturwissenschaftler nennt. Aufgewachsen in Lam im Bayerischen Wald, direkt an der Grenze zur damaligen Tschechoslowakei, studierte er erst Mathematik und Theologie mit Schwerpunkt auf der Naturwissenschaft, um sich durch das Interesse an der Befreiungstheologie immer mehr den Religionswissenschaften zuzuwenden. Reisen und mehrmonatige Aufenthalte in Südostasien und Südamerika schärften seine Sinne für, wie er sagt, „subtile Kulturzerstörung”, und die Frage „Ist Tourismus Kolonialismus?

Sein berufliches Ziel war es zunächst, Vorbereitungsseminare für Fernreisende in Länder der Dritten Weit anzubieten. So kam er in Kontakt mit dem Evangelischen Bildungswerk (EBW) Regensburg. Leider fand sich kein Markt für seine sicherlich sinnvolle Geschäftsidee. Dafür aber war das EBW begeistert von seinem Vorschlag, Radreisen in die gerade erst für Besucher geöffnete Tschechoslowakei anzubieten. Der Eiserne Vorhang war soeben gefallen und es war sprichwörtlich naheliegend, Theorien vom kulturnahen, sensiblen Tourismus in der neu zu entdeckenden Nachbarregion Böhmen in die Praxis umzusetzten.

Mit drei einwöchigen Rad-Reisen ging es für ihn 1991 als ABM-Kraft für ein Projekt „Kulturnaher, sozialer- und umweltverträglicher Bildungstourismus” beim Evangelischen Bildungswerk Regensburg los. Er konzipierte die Reisen und begleitete sie selbst. „Böhmen”, sagt Dr.. Erwin Aschenbrenner, „war 1989 weiter für uns entfernt als etwa Peru oder Japan.” Doch dann fiel der Eiserne Vorhang, und „plötzlich brauchte man zu einer fremden Kultur nicht mehr mit dem Flugzeug fliegen”. Die sprichwörtlichen „Böhmischen Dörfer” ließen sich mit ei­ner Radtour geradzu erfahren. Für Aschenbrenner bot dies die Chance, seine mit der Dritten Weit gemachten Erfahrungen auf eine touristisch weitgehend unberührte Region zu übertragen und zu versuchen, bei seinen Konzeptionen alle negativen Erscheinungen des Dritte-Welt-Tourismus zu verhindern. Tourismus in die damalige Tschechoslowakei hieß nämlich Wochenendreisen nach Prag oder Billigeinkaufsfahrten an die Grenze, vom Prostitutionstourismus ganz zu schweigen.

Jahr für Jahr bot Aschenbrenner mehr Reisen an, stieg vom Rad auch auf Skier, in Wanderstiefel und ins Kanu und folgte den Literaten des Böhmerwaldes zu Fuß und mit dem Zug. Unter unterschiedlicher Trägerschaft führte er seine Idee des sanften Tourismus beim östlichen Nacbarn Böhmen Schritt für Schritt wei­ter und machte sich Anfang 1998 vollkommen selbständig. Von den zunächst drei Wochenreisen ist sein Angebot auf 50 Reisen im vergangenen Jahr angewachsen. Die Tendenz ist steigend. Das freut ihn zum einen, zum anderen sieht er dem aber auch ein wenig beunruhigt entgegen, denn er begleitet jede einzelne Reise zumindest an den ersten Tagen – und zu Hause warten Frau und Tochter und ein Schreibtisch voller Arbeit, die er ganz allein bewältigt.

Sieben Typen von Reisen bietet Aschenbrenners „Begegnung mit Böhmen” derzeit an. Der Schwerpunkt liegt auf den Radreisen, gefolgt vom Skiwandern mit Langlaufskiern im Winter, dem Wandern, Kanufahren, Eltern-Kind-Ferien, die Entdeckung des Weltkulturerbes. Gut 1000 Reisenden bietet er jedes Jahr eine mit viel Erholung verbundene anregende Begegnung mit Böhmen. Etwa die Hälfte davon sind Stammgäste, „Wiederholungstäter”, die immer wieder mit Aschenbrenner reisen. 1998 war ein Ehepaar das elfte Mal dabei. Erstaunlich, denn Aschenbrenners „Begegnung mit Böhmen” gibt es erst seit acht Jahren.

In seinem Bereich ist Aschenbrenner nahezu konkurrenzlos. Einige Wander- und Radreise-Anbieter haben sieh zwar in den Böhmerwald vorgewagt, die meisten aber haben wieder aufgegeben, ..denn es gibt für Reiseveranstalter bequemere Tourismusregionen”, erklärt Aschenbrenner. Die touristische Infrastruktur ist noch nicht sehr weit entwickelt, und man muß als Veranstalter schon viel Organisationstalent, Geduld und Improvisationsgabe mitbringen, um im Böhmerwald zu reüssieren, zumal mit einem Ansatz des sanften Tourismus, ohne Auto, ohne Massenfortbewegungsmittel und ohne am westlichen Standard unbedingt festhalten zu wollen. Denn auf Probleme heim Organisieren seiner Reisen trifft Aschenbrenner immer wieder und immer noch. Sei es, daß der Wirt nur Brot und Butter und ein dünnes Kaffeesüppchen zum Frühstück serviert, weil er den Einkauf vergessen hat, oder daß Zimmer trotz fester schriftlicher Reservierungsverträge überbucht sind.

Diese Schwierigkeiten, so Aschenbrenner, nehmen aber sowohl er, als auch seine Gäste ohne allzu großes Murren in Kauf, denn man weiß von vornherein, auf was man sich bei einer Reise in das touristisch noch unerschlossene Böhmen eingelassen hat.

Der Gedanke des sanften Touris­mus beschränkt sich bei Aschen­brenner nicht auf die Art der Reisen vor Ort. Auch die Anreise ist so gelegt, daß jeder problemlos mit dem Zug kommen kann. „Eine Diplomarbeit über sanften Tourismus hat herausgefunden, daß ich der einzige Reiseveranstalter bin, bei dem die Reise zu einer ganz krummen Uhrzeit beginnt.” Die meisten seiner Reisen starten am Grenzbahnhof Bayerisch Eisenstein mit Ankunft des Zuges um 14.23 Uhr. 1998 hatte es Aschenbrenner sogar fertiggebracht, daß die dort operierende Regentalbahn dann, wenn seine Gruppen ankamen, einen dritten Wagen anhängte, um alle Räder transportieren zu können. Er hofft, daß dies auch in diesem Jahr so weitergeht.

Seine Reisen bietet Aschenbrenner auf sehr ansprechenden und in­formativen Faltblättern an, die auf jeden werberührigen Schnick­schnack verzichten können. Er arbeitet deutschlandweit mit 25 verschiedenen Bildungseinrichtungen zusammen und betreibt eine umfangreiche Öffentlichkeitsarbeit. Diese PR läßt er aber nicht bei einer intensiven, regelmäßigen Pressearbeit – vor allem in Öko- und Naturschutzzeitschriften und den Tages­medien – bewenden, sondern er hält Vorträge über Böhmen – in den vergangenen fünf Jahren, so erinnert er sich, waren es etwa 40 Vorträge und Diavorträge -, initiiert Podiumsdiskussionen, Lesungen und „Böhmische Nächte”. Zuletzt ging eine von ihm zusammengestellte, vielgepriesene Wanderausstellung zur Kultur­und Zeitgeschichte in Böhmen durch viele süddeutsche Städte.
Jedes Jahr im Dezember organisiert Aschenbrenner zudem für seine Reiseteilnehmer einen böhmischen Begegnungstag in Regensburg, mit Stadtführung, Fotowettbewerb, böhmischem Essen und einem Zusammentreffen mit den tschechischen Reiseleitern. Aus ganz Deutschland kommen die Teilnehmer von Aschenbrenners Reisen in großer Zahl, um ihre Erlebnisse gemeinsam nachzuerleben. Für viele ist dieser jährliche Tag zu einer festen Institution geworden.

Der beste Öffentlichkeitsarbeiter, um nicht zu sagen Botschafter für Böhmen und seine Reisen, aber ist Erwin Aschenbrenner selbst. Obwohl er den Landstrich entlang der bayerisch-tschechischen Grenze nun bereits seit einigen Jahren regelmäßig erlebt, die Orte und Winkel, die er mit seinen Gruppen bereist, bereits in- und auswendig kennt, ist er noch nicht abgestumpft, findet immer noch das Neue, das Schöne, das Einmalige und das Ungewöhnliche, um es seinen Gästen zu zeigen.

Das, was Erwin Aschenbrenner aufgebaut hat, kann ein Mann aber gar nicht alleine machen. So arbeiten vier Tschechen jenseits der Grenze für ihn als Organisatoren, Gruppenbegleiter, Skilehrer und Reiseleiter. Diesseits der Grenze kooperiert er ebenfalls, mit vier Experten, die beispielsweise den ökologischen und den literaturhistorischen Part während seiner Reisen übernehmen. Die Tschechen begleiten die Reiseteilnehmer Erwin Aschenbrenners gemeinsam mit ihm selbst auf ihren Stahlrössern, den Drahteseln, im Kanu oder zu Fuß durch Böhmen. Sie sind aber auch die Botschafter ihres Landes und ihrer Kultur und machen für die Gäste die Verhältnisse im Lande verstehbar und erlebbar.

Die Texte stammen von den oben aufgeführten Zeitungen.

 

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